Draga Ljiljana

Ich suchte meine Jugendfreundin Ljiljana, die Kindheit, die Heimat, also die Vergangenheit und fühlte, dass etwas Unlösbares vor mir stand. Sentimentale Bilder und Erinnerungen haben meinen Blick noch mehr verdunkelt, als ich in Bosnien-Herzegowina in Richtung Meer reiste.

Auf den Spuren einer gemeinsamen Vergangenheit bewegte ich mich nach vielen Jahren wieder auf dem Boden meiner Heimat. Die Menschen in diesem Film suchen ihren Platz, ihr Zuhause, so wie ich meine Jugendfreundin. Meine Landsleute, die nach Wien geflüchtet sind, tragen die Last der Flucht auf ihrem Rücken, besuchen Bosnien in der vergeblichen Hoffnung, dass sie einen Teil ihrer damaligen Heimat und ihrer Vergangenheit wieder finden.

Draga Ljiljana, “ein Film über die Unmöglichkeit aus dem Exil nach Hause zurückzukehren; ein Roadmovie und ein Detektivfilm” (Volker Heise), auf der Spur von etwas Unauffindbaren. Die gesuchte frühere Freundin Ljiljana, am Anfang noch von Wichtigkeit, wurde für Nina Kusturica “zu einem generelleren Begriff für etwas Verlorenes”. So begreift die Regisseurin die Recherche und Suche als Teil ihres Lebens. 15 Stunden Material erarbeitete sie intuitiv und verdichtete sie in sechs monatiger Schnittarbeit zu der Geschichte, die sie erzählen wollte.
(Heimat-)Erinnerung
Der Versuch “etwas in Bilder umzusetzen, was es nicht mehr gibt” (Heise), ermöglichte das Finden von Bildern dieser Suche. Weder die gefilmten Kinder in Sarajewo noch die in Zugwaggons lebenden Bosnier scheinen Teil der gesuchten Vergangenheit zu sein. Auch der Krieg, als Auslöser des Verlusts, verbleibt als Erinnerungsloch. “Ein Flüchtling, der rechtzeitig das Land verlassen konnte, hat keine Bilder des Krieges”.
Erinnern an ein Leben in Bosnien kann sich Kusturica am besten in Wien, in einem Café.
(Heimat-)Gefühl
Rembert Hüsers Frage nach den Interviewpartnern, die ausschließlich in dem schon genannten Wiener Kaffeehaus gefunden wurden, deutet auf ein Phänomen des Exils: “In Wien waren es spezielle Personen, die mir dieses Gefühl gegeben haben”. In Bosnien habe sie bewußt keine Interviews gemacht, weil Bosnien mehr als eine Person sei. Der Weg des Films zurück nach Wien, wo sich die potentielle Freundin als Gesicht in der Menge finden läßt, verweist auf die Hoffnung einer transportablen, geistigen Heimat.
(Heimat-)Bilder
Büttner und Ruzicka beschreiben die “Beiläufigkeit der Bilder”, die für Büttner wie ein Abschiednehmen sind, für Ruzicka wie ein Ankommen in einer hybriden Heimat, einer “Ortlosigkeit des Lebens, in der Gewißheiten aufgelöst werden, die sich auch in der wunderschönen Osmose der Sprache wiederspiegelt”.

Protokoll, Duisburger Filmwoche

Bei Interesse bezüglich einer Vorführung oder DVD schreiben Sie uns bitte eine Email an:

Herausgebracht vom Verein „Freunde der Filmakademie Wien“ auf der DVD Edition 5 – 2010, Still Learning

Dokumentarfilm /2001
31 Min./ 16mm/ 1:1,78/ Farbe/ Stereo
Deutsch, Bosnisch

Schikaneder Kino, Wien September 2014, Heimatfilm vs. World Cinema – Kurzfilm-Programm: Impressions of Migrations
7.5.2012 um 18h30 Filmtage Nina Kusturica, Österreichisches Kulturforum Kairo
9.7.2010, Filmabend Nina Kusturica, Espressofilm Wien
zdf Ausstrahlung, März 2004
Diagonale – Festival des österreichischen Films 2000 Graz, Lobende Erwähnung der Jury
München Studenten Film Festival 2000, Sarajevo Film Festival 2000, Duisburger Filmwoche 2000, Premiers Plans Festival d’Angers 2001, Sehsüchte Berlin 2001, Internationales Filmfestival der Filmakademie Wien 2001, Balticum Film Festival, Dubrovnik 2001.

Regie/Buch: Nina Kusturica
Kamera: Eva Testor
Schnitt: Julia Pontiller, Nina Kusturica
Ton: Marco Antoniazzi
Musik: Abid Kusturica
Produktionsleitung: Christoph Ziereis

Verleih: sixpackfilm
Hergestellt an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Filmakademie Wien

Mit Unterstützung von:
Kulturamt der Stadt Wien